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Blockiert

  • Autorenbild: NATTY
    NATTY
  • 22. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

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Ich hätte erwartet, dass er sich meldet. Dass er irgendwann fragt, wie es mir geht. Oder zumindest ein Wort schreibt. Stattdessen: Funkstille. Nicht nur das – er hatte mich blockiert. Überall. Kein Anruf kam durch, keine Nachricht, nichts.


Ich saß da mit diesem brennenden Gefühl im Brustkorb, wie ein Tier, das nicht versteht, warum es aus-/eingeschlossen wurde.

Ich wollte nicht kämpfen. Ich wollte nur verstehen. Nur reden. Nur irgendetwas festhalten, das nicht gleich wieder zerfällt, sobald ich es berühre.

Aber es war alles weg. Und in diesem Nichts war ich plötzlich allein mit der Schuldfrage. Hatte ich etwas falsch gemacht? War das wirklich so schlimm, was ich gesagt hatte? Was ich getan hatte? Ich rollte alles wieder und wieder durch. Jedes Wort. Jedes Zögern. Jede Pause.

Ich schrieb ihm. Immer wieder. Mal lang, mal kurz, mal entschuldigend, mal erklärend. Ich wollte, dass er mich hört. Dass er mich sieht. Dass er versteht, dass ich ihn nicht verletzen wollte. Dass ich ihn einfach nur brauchte. Aber er war nicht mehr da.

Ich konnte nicht loslassen. Noch nicht. Ich versuchte es mit Abstand, mit Warten, mit Reden mit Freund:innen. Doch immer wieder landete ich bei ihm. Bei der Frage, wie ein Mensch so brutal abbrechen kann.

Und dann kam irgendwann diese Nachricht. Knapp. Kalt. „Ich will keinen Kontakt. Lass mich in Ruhe.“

Ich hätte sie als Ende sehen sollen. Aber stattdessen wurde sie für mich ein neuer Anfang von etwas anderem: Von dem Wunsch, ihn zurückzuholen. Von dem verzweifelten Versuch, ihm zu beweisen, dass ich nicht so bin, wie er sagt. Dass ich nicht verlogen bin. Nicht widerlich. Nur verletzt. Und menschlich.


Es ist schwer zu erklären, warum man in solchen Momenten nicht einfach geht. Warum man sich festbeißt an jemandem, der längst losgelassen hat. Aber das Herz ist kein logisches Wesen. Es sucht nicht nach Gerechtigkeit. Es sucht nach Verbindung. Und manchmal wirft es sich in die Arme dessen, der es am härtesten stößt.

Ich habe mich klein gemacht. Ich habe ihn größer gemacht, als er je war. Weil ich dachte, Liebe heißt: bleiben. Auch wenn der andere geht.

Heute weiß ich: Wenn jemand dich blockiert, obwohl du einfach nur reden willst – dann geht es nicht mehr um Nähe. Dann geht es um Macht. Und die wurde mir genommen, als ich am verletzlichsten war.

Aber damals? Damals dachte ich noch, ich hätte versagt. Und das tat fast mehr weh als sein Schweigen.


Und wie so oft können wir dieses Gefühl – diese tiefe Verletzlichkeit, die uns wie aus dem Nichts überrollt – tatsächlich erklären. Nicht, um es kleinzureden. Sondern um zu verstehen, warum es uns so sehr trifft, während andere Menschen in ähnlichen Situationen scheinbar unberührt weitergehen.

Ein theoretischer Rahmen, der mir selbst sehr geholfen hat, ist die Bindungstheorie, entwickelt von John Bowlby und Mary Ainsworth. Vielleicht habt ihr schon davon gehört. Sie besagt im Kern: Unsere frühkindlichen Beziehungserfahrungen – also wie wir Nähe, Sicherheit, Trost oder Zurückweisung erlebt haben – prägen tief in uns, wie wir später als Erwachsene Bindung erleben. Und vor allem: wie wir auf Trennung, Rückzug oder Ablehnung reagieren.

Dabei unterscheidet man (vereinfacht) zwischen verschiedenen Bindungsstilen:

Unsicher-ängstlich gebundene Menschen:Sie haben oft große Angst vor dem Verlassenwerden. Sie sehnen sich intensiv nach Nähe, spüren emotionale Schwankungen besonders stark und neigen dazu, sich sehr anzupassen – selbst wenn sie dabei ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken. Sie klammern oft, obwohl sie wissen, dass es sie noch verletzlicher macht.

Unsicher-vermeidend gebundene Menschen:Sie ziehen sich zurück, wenn es emotional wird. Sie vermeiden Konflikte, brechen Kontakt ab, blockieren oder schweigen, anstatt sich mit Gefühlen auseinanderzusetzen. Nähe empfinden sie häufig als Bedrohung ihrer Autonomie.


Ich habe bei mir selbst eine starke Aktivierung dieses Bindungssystems gespürt. Vielleicht kennt ihr das auch:

Dieses innere „Bitte versteh mich!“, das Festhalten-Wollen an etwas, das sich schon entzieht.

Genau das ist typisch für einen ängstlichen Bindungsstil – vor allem, wenn der andere plötzlich ohne Erklärung verschwindet.

Und genau so war es bei mir.

Sein Verhalten – dieses abrupte Blockieren, das Vermeiden jeder Auseinandersetzung – lässt sich wiederum gut mit einem vermeidenden Bindungsstil erklären. Nicht als Entschuldigung, aber als Erklärung: Für viele Menschen mit diesem Muster ist emotionale Nähe schwer auszuhalten. Also entziehen sie sich. Wortlos. Rücksichtslos. Weil sie keinen anderen Umgang mit Nähe und Konflikt gelernt haben.

Wenn ihr euch hier wiedererkennt: Das liegt nicht an euch. Und ihr seid nicht „zu emotional“ oder „zu kompliziert“. Ihr habt vielleicht einfach gelernt, dass ihr euch um Verbindung bemühen müsst – selbst wenn sie nicht erwidert wird.

Was mir dabei wirklich geholfen hat, war das Buch:

„Attached. The New Science of Adult Attachment and How It Can Help You Find—and Keep—Love“ von Amir Levine & Rachel Heller. Es erklärt auf sehr zugängliche Weise, warum wir manchmal genau die Menschen begehren, die emotional nicht verfügbar sind – und wie wir da wieder rausfinden.



 
 
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