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Das Telefonat

  • Autorenbild: NATTY
    NATTY
  • 19. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit
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Es war kein besonderer Abend. Kein Fondue, kein Zusammensein mit Freund:innen. Es war einfach nur ein Moment. Ich war mit ihm zusammen in meiner Wohnung, und mein Handy klingelte. Eine Freundin. Ich stand auf und ging in die Küche, um das Gespräch entgegenzunehmen. Nur ein paar Minuten. Kein langes Reden. Ich habe gelacht – ein herzliches, lautes Lachen.


Und ich weiß noch, wie ich beim Sprechen schon dieses Ziehen im Bauch hatte. So ein unbestimmtes Gefühl, dass das jetzt falsch war. Dass ich etwas gemacht hatte, was nicht erlaubt war. Obwohl es dafür nie eine Regel gab. Aber sein Blick, als ich zurückkam, war eindeutig.


Kühl. Abweisend. Irgendetwas war gekippt. Ich fragte vorsichtig: "War irgendwas?"

Und dann kam es. Ich sei respektlos sagte er. Ich würde ihn ignorieren. Einfach aufstehen, ihn sitzen lassen. Und dann diese Worte – wieder diese Worte, die mich trafen wie Pfeile: "verlogen, widerlich."

Ich war sprachlos. Ich wusste gar nicht, wofür ich mich entschuldigen sollte – aber ich tat es trotzdem. Weil ich retten wollte, was vielleicht noch zu retten war.

Ein paar Tage zuvor hatte ich ihm erzählt, dass mich etwas verletzt hatte, was diese Freundin gesagt hatte. Ganz normal eigentlich – man redet mit seinem Partner über sowas, oder? Er hatte damals verständnisvoll reagiert, gesagt, dass er das auch nicht gut fände, dass ihn das auch verletzen würde. Das Gespräch war ruhig, sogar verbindend. Ich dachte, das war ein schöner Moment zwischen uns. Offenheit, gegenseitiges Verständnis.


Aber jetzt – jetzt drehte er genau das gegen mich. Weil ich wieder mit ihr telefonierte, weil ich lachen konnte. Es war, als hätte er nur auf diesen Moment gewartet. Und dann kamen die Worte: verlogen, widerlich. Als wäre ich eine Lügnerin, weil ich mich mit jemandem vertrug, mit dem ich mal einen Konflikt hatte.


Ich versuchte, ihm zu erklären, dass das normal ist. Dass man sich auch mal streitet, verletzt wird – aber dann spricht man sich aus. Und geht weiter. Das hat doch nichts mit Unehrlichkeit zu tun, sondern mit Beziehung. Auch Freundschaften brauchen diese Prozesse. Ich brachte sogar Beispiele aus seinem Leben, um es verständlich zu machen. Aber er blockte sofort: Das würde mich gar nichts angehen. Ich: „Aber andersrum geht’s dich dann doch auch nichts an?“ Er: „Doch. Weil du mir davon erzählt hast.“


Natürlich hatte er mir auch von seinen Konflikten erzählt. Natürlich hatte ich nie gesagt: Wieso redest du jetzt wieder mit dem? Aber bei mir – war alles falsch.


Später wurde das Telefonieren ein seltsames Thema zwischen uns. Er meinte oft: "Wenn ich nicht da bin, telefonierst du stundenlang mit deinen Freund:innen, aber wenn ich bei dir bin, machst du das nie. Das fühlt sich so an, als würdest du etwas verbergen." Und als ich versuchte zu erklären, dass ich einfach nicht gerne telefoniere, wenn er da ist – weil ich genau gemerkt hatte, wie unwohl er sich dabei fühlte, als ich es einmal getan hatte – da war auch das wieder falsch.


Ich sei kompliziert. Problematisch. Vorwurfsvoll. Es war wie ein Labyrinth aus Erwartungen, bei dem jeder Weg zurück zu mir selbst ein Fehler war...


"verlogen, widerlich."

Da stand er auf. Zog sich die Schuhe an. Sagte nur: „Ich kann mit einem Menschen wie dir – so verlogen und widerlich – einfach nicht zusammen sein.“ Und dann ging er. Tür zu. Kein weiteres Wort. Kein Blick zurück. Er ließ mich einfach so sitzen.

Und ich blieb mit diesem Echo. Mit der neuen Frage in mir: Bin ich wirklich so... respektlos? Oder war das einfach nur sein Weg, mich klein zu halten?

Es hat lange gedauert, bis ich den Knoten in meinem Bauch richtig benennen konnte. Bis ich gemerkt habe, dass es nicht um das Telefonat ging. Nicht um den Ton. Nicht um die paar Minuten. Sondern darum, dass ich in dem Moment nicht verfügbar war. Dass ich gelacht habe – ohne ihn.


Ein liebevoller Mensch hätte gefragt: „Wen hast du gesprochen?“ oder „Alles gut?“ Aber seine Art war es, zu entwerten. Mich zu verunsichern. Mich an mich selbst zweifeln zu lassen.



 
 
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