SCHEIDUNG
- NATTY

- 11. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli

ABGETAUCHT
Sie ist abgetaucht – das macht sie gelegentlich. Aber diesmal kann sie es erklären. Und jetzt ist auch gut.
Am 31.03.2022 hatte ich meinen Scheidungstermin. Freunde, die mich seit Jahren begleiten – und auch die, die ich erst kürzlich gefunden habe – hatten alle den Impuls, für mich da sein zu wollen, mich zu bestärken. Es war ja nicht mein erster Anlauf, und alle wissen, wie schwer mir das fällt.
Es fällt mir schwer, weil ich an die Liebe und an die Ehe glaube. Ich kann nicht sagen, dass ich Sven nicht mehr anziehend finde – aber mittlerweile mochte ich mich in dieser Konstellation einfach nicht mehr. Ich habe mich täglich wie eine Versagerin gefühlt – und auch das muss seinen Platz finden. Es ist furchtbar, wenn man jahrelang versucht, jemanden glücklich zu machen – und nichts reicht. Ich bin an den Punkt gekommen, an dem ich erkannt habe, dass ich ihm nicht guttue. Mein ganzes Handeln hat ihn eher in die Defensive getrieben. Ich habe mich immer wieder zurückgenommen, meine Unterstützung angepasst – aber dann fing er an zu fordern oder jeden Tag auszudrücken, wie schwer ihm „diese eine Sache“ falle...
Im Endeffekt macht er es jetzt auch – nur meine Haltung ist eine andere geworden. Meine ganze Motivationsarbeit hat ihm letztlich nur gezeigt, was er nicht kann.
Kurzum: Ich habe keinen Grund, das Ende einer Beziehung zu feiern. Ich kann nur mich selbst umarmen und sagen: Es ist für alle besser – auch wenn es sich nicht gut anfühlt.
Zuletzt war so viel Wut in mir – auf ihn, auf mich. Und ja, Wut musste jetzt auch mal sein. Eine konstante Wut, die mir hilft, mich abzugrenzen.
Wer mich kennt, weiß: Ich kann mit Wut nicht gut umgehen. Ich verberge sie zwar nicht, ich konfrontiere mein Gegenüber – aber die Wut und das Schuldgefühl, zu grob gewesen zu sein, richten sich schnell gegen mich. Und dann tue ich mir selbst nicht gut.
Die ganze Situation mit Sven fordert mir viel Rückgrat ab. Täglich werde ich mit Aussagen konfrontiert, ich würde mich nicht kümmern, sei nicht einmal eine gute Freundin. Immer wieder versucht er, einen Fuß in meine Wohnung und in mein Leben zu setzen.
Das ist einer der Gründe, warum ich mir eine kleine Wohnung in Berlin genommen habe. Ich brauche Distanz – auch innerlich. Und die fällt mir durch äußere Distanz leichter.
Ja, ich date. Aber mein Abnabelungsprozess von Sven ist längst nicht abgeschlossen. Kürzlich bin ich mitten in der Nacht von Berlin zurückgefahren, um ihn in eine Klinik zu bringen – sechs Tage später hat er sich selbst entlassen und meinte dann, er könne ja zu mir kommen, um sich zu erholen. Nein – ich habe es nicht zugelassen.
Einmal habe ich es erlaubt, und es ging gefühlt nur darum, dass er mit mir ins Bett wollte.Ein „Nimm mich bitte mal in den Arm“ geht bei ihm nicht ohne Hände am Hintern und den Versuch, mich zu küssen. Es ist ihm egal, wenn ich sage, dass ich das nicht möchte.
Ich belaste mein Umfeld ständig mit Beziehungsthemen, und ich kann mich selbst schon nicht mehr hören. Fast täglich passiert eine Kommunikation, die man von außen betrachtet wohl als „kranken Scheiß“ bezeichnen würde.
Ich bin selbst hin- und hergerissen zwischen:„Sven ist krank“und„Sven ist manipulativ und berechnend“.
Ich sehe noch immer den Menschen, in den ich mich verliebt habe, den ich geheiratet habe, mit dem ich unseren großartigen kleinen Sohn habe. Aber die Momente, in denen ich ihn noch so sehe, werden immer seltener.
Gerade jetzt, wo er so deutlich Forderungen und Vorwürfe formuliert – nachdem mein emotionales und wirtschaftliches Konto komplett geplündert ist – und ich versuche, mich endlich für mich selbst starkzumachen, schaffe ich es mehr und mehr, mich zu lösen. Er wechselt zwischen Beschimpfungen und Liebesbekundungen – und ich gebe zu: Es ist mir mittlerweile fast egal.
Der Maßstab, mit dem man misst, verändert sich irgendwann. So sollte das Leben nicht sein! Das empfinde ich mittlerweile auch so – und besonders soll es so nicht für meine Kinder sein.
Ich bin sehr dankbar, eine Tochter zu haben, die in Liebesthemen so viel taffer ist als ich. Nein – auch für sie ist das nicht einfach. Unser Sohn braucht viel Aufmerksamkeit. Und wenn ich mich nicht um Svens Themen kümmern muss, habe ich endlich auch Zeit für ihn.
Die Scheidung war für mich wichtig – ein Meilenstein. Noch einen Tag vorher dachte ich:„Ist das wirklich der richtige Weg?“
Jetzt ist es egal, ob richtig oder falsch – ich bin einfach froh, weiterzugehen. Ich sehe bei mir und den Kindern positive Entwicklungen. Ich habe wieder Zeit für mich. Ich denke wieder an mich – und nicht nur über Konflikte nach.
Ich wollte von außen nicht hören, dass ich alles richtig mache.Das passt nicht zu meinen Gefühlen – und ich bin ein Mensch, der dann anfängt, den „Schwächeren“ zu verteidigen oder zu schützen. Und das bringt mich wieder näher zu Sven.
Das Verrückte ist: Sven hat mich immer wieder verlassen.Jetzt ist es das erste Mal, dass ich gehe.Zum ersten Mal entscheide ich mich gegen eine Beziehung.
Mittlerweile ist mein Fokus nicht mehr auf eine Freundschaft mit Sven gerichtet, sondern auf so wenig Kontakt wie möglich. Und das ist nicht einfach, wenn man täglich kontaktiert wird – auch unter dem Vorwand, es ginge um unseren Sohn.
Auch das hat meine Lustlosigkeit befeuert, überhaupt zu texten oder zu telefonieren. Ich bin einfach ein bisschen kaputt. Deshalb habe ich mich zurückgezogen.
In meinem Kopf plane ich aber schon ein Sommerfest – oder eine Party bei mir.
Ich finde es so wundervoll, wie ihr hinter mir steht! Wie viel ihr an mich denkt – und wie sehr ich eure Freundschaft spüren kann, auch wenn wir uns nicht sehen. Meine Dankbarkeit ist riesig. Meine Scheidung ist der Anlass in meinem Leben, bei dem mir am meisten Liebe entgegengebracht wurde – damit hatte ich nicht gerechnet.
In der Nacht vom 30.04. auf den 01.05. wird die Scheidung rechtskräftig. Tanz in den Mai – ganz anders!
Wenn Loslassen der mutigste Schritt ist – Was Trennung wirklich bedeutet
Trennungen sind nicht einfach. Nicht, wenn man Kinder hat. Nicht, wenn noch Zuneigung da ist. Und schon gar nicht, wenn man tief an das Ideal von Liebe und Ehe glaubt.Doch manchmal ist das Loslassen nicht nur ein Akt des Mutes – sondern ein überlebenswichtiger Schritt zur Selbstfürsorge.
Was passiert eigentlich psychologisch, wenn Menschen eine Beziehung verlassen, die sie nicht glücklich macht – obwohl sie den Partner nicht grundsätzlich ablehnen? Dieser innere Konflikt ist keine Seltenheit. Besonders bei sensiblen, empathischen Menschen, die gelernt haben, sich selbst zurückzustellen, um den anderen zu „retten“.
Beziehung als Erschöpfungsspirale
In vielen Beziehungen entsteht eine emotionale Schieflage: Eine*r gibt, motiviert, hofft, trägt – und der oder die andere reagiert mit Rückzug, Abwehr oder Vorwürfen. Wer in so einem Muster steckt, kennt das Gefühl von innerer Leere gut. Man fühlt sich wie ein Versager, obwohl man kämpft.Doch: Wenn alle Energie ins „Aufrechterhalten“ fließt, bleibt keine Kraft mehr für echte Nähe oder Entwicklung.
Solche Beziehungsmuster werden oft von alten Bindungsdynamiken genährt – z. B. der Vorstellung, dass Liebe bedeute, den anderen „zu retten“. Das kann besonders bei empathischen Menschen zur Falle werden, weil sie spüren, was der andere bräuchte – und das eigene Bedürfnis nach Klarheit, Distanz oder Grenzen unterdrücken.
Wut als Wegweiser
Wut wird oft als destruktiv empfunden – gerade bei Frauen, die gesellschaftlich noch immer oft zur „Versöhnung“ erzogen werden. Doch psychologisch ist Wut ein gesunder Schutzmechanismus.Sie zeigt: „Hier stimmt etwas nicht.“Wenn man sie nicht gegen sich selbst richtet, sondern als Grenzsignal nutzt, kann Wut heilsam sein.
In der Geschichte, die diesem Beitrag zugrunde liegt, war Wut ein Wendepunkt: Sie half, sich abzugrenzen – und war der erste Schritt zurück zur Selbstachtung.
Der erste Schritt geht nach innen
Viele Betroffene wünschen sich, nach der Trennung „gute Freunde“ bleiben zu können. Doch das ist oft nicht realistisch – besonders, wenn der Ex-Partner emotionalen Druck ausübt oder Schuldgefühle erzeugt („Du kümmerst dich nicht“).Psychologisch wichtig ist dann die konsequente Abgrenzung, um sich emotional zu erholen und zu stabilisieren. Das kann bedeuten: Wohnung wechseln, Kontakte reduzieren, aufhören, sich zu erklären.
Und: Nicht jeder Kontakt, der mit dem Kind begründet wird, dient dem Kind. Oft ist es ein Vorwand, emotionale Kontrolle aufrechtzuerhalten.
Trennung ist ein Prozess – kein Ereignis
Der eigentliche Trennungsprozess beginnt nicht mit dem Gerichtstermin – sondern mit dem inneren Lösen.Erst wenn man erkennt: „Ich gehe nicht gegen den anderen – ich gehe für mich“, beginnt der Weg in die Selbstverantwortung. Das kann Wochen, Monate oder Jahre dauern. Und das ist okay.Denn Heilung ist kein linearer Weg.
Besonders für Eltern gilt: Wer sich selbst nicht schützt, kann auch für das Kind nicht sicherer Hafen sein. Die Entscheidung, eine toxische Beziehung zu verlassen, ist damit nicht nur Selbstfürsorge – sondern auch ein Akt von Elternliebe.
Und was hilft auf diesem Weg?
Distanz schaffen, auch räumlich: Sie ist kein Feind, sondern der erste Schritt zur Klarheit.
Wut anerkennen: Nicht unterdrücken, nicht rechtfertigen – sondern verstehen.
Sich begleiten lassen: Durch Freunde, Beratung, Therapie. Trennung ist ein Trauma – auch wenn sie notwendig ist.
Sich feiern, nicht verurteilen: Auch wenn es sich nicht immer gut anfühlt – es ist ein mutiger Schritt.


